Thoughts About Time
Ich habe vor einiger Zeit ein Zitat gefunden, das mir seither nicht aus dem Kopf geht. Und zwar geht es darin um Zeit und darum, dass sie eigentlich gar nicht so kostbar ist, wie sie uns immer erscheint. Das einzig Kostbare ist nämlich der einzige Punkt, der außerhalb der Zeit liegt. Das Jetzt. Und je mehr wir uns auf die Zeit konzentrieren, auf die Vergangenheit und die Zukunft, die eigentlich nur Illusionen sind, desto mehr verpassen wir das Kostbarste, das wir haben: das Jetzt.
Ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, was Eckhart Tolle damit sagen will. Und noch etwas länger, um zu begreifen, dass ich immer und überall lebe, nur nicht im Jetzt. Ich mache mir oft Gedanken um die Zukunft, plane, träume und grüble ständig über Vergangenes. Ich stelle vergangene Entscheidungen in Frage und sorge mich um die Zukunft. Was mir dabei völlig entgleitet, ist der Augenblick. Ich denke so viel über Vergangenes und Zukünftiges nach, dass ich verlernt habe, im Augenblick zu leben und den Moment zu genießen.
Wir beneiden Kinder oft darum, dass sie so sorglos in den Tag hineinleben. Sich weder um gestern, noch um morgen Gedanken machen, sondern voll und ganz im Hier und Jetzt leben. In der Lage sind, sich stundenlang konzentriert mit einer Sache zu beschäftigen, ohne mit den Gedanken schon wieder bei der nächsten Aufgabe zu sein. Ich konnte das als Kind sehr gut. Habe mich den ganzen Tag in mein Zimmer zurückgezogen und in der Welt meiner Barbies verloren. Irgendwann habe ich das allerdings verlernt. Mit der Verantwortung wahrscheinlich, die das Erwachsenwerden so mit sich bringt. Ein Stück dieser kindlichen Leichtigkeit hätte ich aber gerne zurück. So schwer kann das doch eigentlich nicht sein, oder?
Im Hier und Jetzt zu leben ist oft leichter gesagt als getan. Weil wir viel zu hohe Ansprüche an uns selbst stellen. Wir glauben, uns erst dann etwas gönnen zu können, wenn wir viel erreicht haben. “Wenn ich alle Mails abgearbeitet habe, gönn ich mir eine Pause.” Was aber, wenn sich mein Körper jetzt nach einer Pause sehnt? Ist es wirklich so schlimm, wenn die Mails erst eine Stunde später abgearbeitet sind? Eigentlich nicht. Wahrscheinlich bin ich sogar sehr viel produktiver, wenn ich dann eine Pause mache, wenn ich sie brauche und nicht, wenn ich sie “verdient” habe.
Eigenlob als schönste Form der Selbstliebe
Wir fühlen uns schlecht, wenn wir unsere To-do-Liste nicht ganz abarbeiten konnten und machen uns am Abend Gedanken darüber, wie wir den morgigen Tag besser planen könnten. Mehr schaffen könnten. Diese Ansprüche kommen vor allem auch durch den Vergleich mit anderen. Wir vergleichen uns ständig mit Kollegen, Freunden und Partnern, stellen unseren Wert, unser Talent, unser Zeitmanagement in Frage und kommen so nie richtig zur Ruhe.
Social Media und der gesellschaftliche Druck, immer besser, schneller und erfolgreicher zu werden, tun ihr Übriges dazu. Denken wir zumindest. Eigentlich sind es aber die Forderungen an unser Leben, Ansprüche an unsere Mitmenschen und uns selbst, die uns aufhalten, stressen und vom Hier und Jetzt ablenken. Wir konzentrieren uns nicht auf unsere persönlichen und beruflichen Erfolge, sondern das, was wir noch nicht erreicht haben. Was andere haben und wir auch gerne hätten. “Da geht noch mehr”, denken wir nach einem Erfolg, anstatt uns selbst einmal dafür zu loben, dass wir das ziemlich gut gemacht haben. Eigenlob stinkt! – sagt ein altes Sprichwort. Warum aber? Ist Eigenlob nicht die schönste Form der Selbstliebe?
Lob und Anerkennung machen uns glücklich. Motivieren uns und bauen uns auf. Allerdings nur, wenn sie von anderen kommen. Uns selbst gegenüber sollten wir bescheiden sein, Understatement statt Egozentrik lautet die Devise. Ich glaube aber, dass wir alle sehr viel glücklicher und entspannter wären, wenn wir unsere eigenen Fähigkeiten und Erfolge öfter feiern würden. Nicht zu viel darüber nachdenken, was sein könnte oder hätte sein können – sondern darüber, dass wir das, was wir jetzt gerade tun, ziemlich gut machen. Darauf können wir stolz sein. Und uns mit einer Pause belohnen. Nicht, weil wir etwas erledigt haben und es perfekt geworden ist – sondern einfach nur so, weil wir das Recht dazu haben.
